Caritas kann zu geringe Zuschüsse nicht ausgleichen

Erstmals seit 2011 ist die Zahl geflüchteter Menschen in Deutschland zurück gegangen - um rund 60.000 Menschen auf 1,77 Millionen. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Integration in den Arbeitsmarkt, in das Bildungssystem oder in die Stadtgesellschaft gut gelingt: So gehen in Fürth, Forchheim und Bamberg inzwischen viele Kinder, die noch vor wenigen Jahren kom-plett ohne Sprachkenntnisse ankamen, auf Realschule oder Gymnasium.
Auch die Integration in den Arbeitsmarkt ist auf einem guten Weg: Viele Migranten haben längst Karriere gemacht - z.B. in "Mangelberufen" wie der Pflege oder auch als Busfahrer – und finanzieren mit Steuern und Sozialabgaben das Gemeinwesen mit. Der Integrationswillen vieler Geflüchteter zeigt sich auch in freiwilligem Engagement, in Fürth beispielhaft im von der Caritas organisierten Programm "für(th)einander", in Forchheim im Ökumenischen Sozialladen.
800 Menschen sind auf Beratung zur Integration angewiesen
All dies ist auch ein Erfolg des Caritas-Beratungsteams, das für rund 800 Menschen in den Fürther Gemeinschaftsunterkünften als erste Anlaufstelle bei Anträgen, gesundheitlichen Problemen, Wohnungssuche, anderen Vermittlungshindernissen, aber auch bei persönlichen Krisen oder Konflikten in den Unterkünften fungiert. Ebenfalls ca. 800 Menschen mit Integrationsbedarf werden von der Caritas im Landkreis Forchheim und der Stadt Bamberg unterstützt, wenn es um Anträge beim Jobcenter, beim Jugendamt oder um die Aufnahme der Kinder in KiTas und Offene Ganztagesschulen geht und ebenso bei vielfältigen Alltagsproblematiken. Als Anlaufstelle für Ausländerbehörden sichern die FIüchtlings-und Integrationsberater*innen den Integrationserfolg ab und verhindern z.B.verhängnisvolle Fristversäumnisse.
Dieses Angebot steht jetzt auf der Kippe. Wie Michael Bischoff, geschäftsführender Vorstand der Fürther Caritas erläutert, war die Bayerische Staatsregierung auch in der ab 2021 geltenden neuen Beratungs- und Integrationsrichtlinie (BIR) nicht bereit, den schon bislang zu geringen Zuschuss pro Vollzeitstelle bedarfsgerecht anzuheben.
Katholische Kirche macht Integrationsberatung erst möglich
Während andere Bundesländer über 90% der Beratungskosten finanzieren, liegt der Zuschussanteil in Bayern nur bei rund 60 %, so Bischoff: „Es ist der Staatsregierung bekannt, dass gerade die beiden christlichen Wohlfahrtsverbände Millionen an Eigenmitteln in diese öffentliche Aufgabe gesteckt haben und dass dies angesichts zurück gehender Kirchensteu-ereinnahmen zukünftig nicht mehr möglich sein wird.“
Alleine die Fürther Caritas musste seit 2015 fast 600.000 Euro an Eigenmitteln, Spenden und kirchlichen Geldern aufbringen. Caritas-Vorstand Michael Bischoff würdigt besonders die Hilfe des erzbischöflichen Flüchtlingsfonds: „Ohne die über 380.000 €, die zweckgebunden vom Erzbischof aus Bamberg kamen, hätten wir diese Arbeit überhaupt nicht finanzieren können.“ Dieser Fonds ist jedoch inzwischen erschöpft.
Flüchtlingsberatung wird erschwert: „Gescheiterte Integration Wasser auf Mühlen der Rechtspopulisten“
In Bamberg und im Landkreis Forchheim bringt die Caritas im laufenden Jahr 2020 ca. 200.000 € an Eigenmitteln auf, um Menschen nach der Flucht im für sie entscheidenden Asylverfahren und danach beim Weg der Eingliederung zur Seite zu stehen.
Peter Ehmann, Vorstandsmitglied im Caritasverband Bamberg-Forchheim und Sprecher des Ombudsteams im Bamberger Ankerzentrum, ist von der Integrationsleistung der Migrant*innen schwer beeindruckt. „Es ist doch logisch, dass man Migrant*innen eine niederschwellige, vertrauenswürdige und qualifizierte Beratungshilfe vor Ort anbieten muss, damit sie in den Systemen Bildung, Berufs-und Arbeitswelt, Wohnen und Gesellschaft Orientierung und ordentliche Einstiege finden können.“
Wenn der Betrieb von Flüchtlings-und Integrationsberatungsstellen für die Wohlfahrtsverbände mit den neuen Richtlinien so erschwert werde, sei das in hohem Maße unfair gegen-über den Migrant*innen, so Ehmann: „Gescheiterte Integrationsverläufe sind Wasser auf den Mühlen von Rechtspopulisten.“
Freistaat hält Fördergelder zurück – Träger müssen Gehälter vorstrecken
Für Unsicherheit sorgt auch die verzögerte Bearbeitung und Auszahlung der Fördergelder. Michael Bischoff: „Für 2020 haben wir noch keinen einzigen Cent von den rund 200.000 Euro gesehen, die uns laut Bescheid zustehen. Obwohl unsere Beratungsteams jeden Tag engagierte und qualifizierte Leistung erbringen, lässt uns der Freistaat Bayern zappeln.“
Das viel zu komplizierte Antrags- und Auszahlungsverfahren hat inzwischen sogar der Oberste Rechnungshof gerügt – ob sich etwas ändern wird, wissen die Wohlfahrtsverbände vor Ort aber noch nicht. Obwohl die Anzahl der geförderten Stellen seit 7.10. bekannt ist, kann die Caritas ihren Mitarbeitenden deshalb noch keine Garantie geben, wie es nach dem 1.1.2021 angesichts der Löcher in der Kalkulation weiter geht.
Einflussnahme auf Beratung kritisiert: „Partner, nicht Erfüllungsgehilfe“
In der neuen Richtlinie ist schließlich ein Passus versteckt, der die Caritas gerade bei Härtefällen in die Bredouille bringen kann. Unter Punkt 2.11 wird der Entzug von Fördergeldern angedroht, wenn die Beratungskräfte „staatliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Vollziehung einer bestehenden Ausreisepflicht“ beeinträchtigen, stören oder verhindern.
Fürths Caritas-Geschäftsführer sieht darin den Versuch, die qualifizierte Beratungsarbeit durch angedrohten Zuschussentzug zu unterbinden: „Gerade weil es immer wieder vor-kommt, dass Abschiebungen von gut integrierten, unbescholtenen Geflüchteten, von schwer kranken Kindern oder von Familienvätern erst in letzter Minute durch Gerichtsentscheide zurück genommen werden“, so Michael Bischoff, „darf der christliche Auftrag der Hilfe für Menschen in Not nicht eingeschränkt werden durch eine Zuschussrichtlinie.“
Peter Ehmann ergänzt: „Soll man verzweifelte Menschen, deren Abschiebung bevorsteht, nicht mehr beraten, in dem man noch hilft, die notwendigen Medikamente für eine Über-gangszeit zu besorgen, damit im Rückkehrland eine ‚geregeltere Ankunft‘ erfolgen kann? Was ist bei Suizidankündigungen in solchen Situationen? Sollen die Berater*innen sich für nicht zuständig erklären? In welcher Wirklichkeit leben die Richtlinienmacher*innen?“ Vielleicht, so der Bamberger Caritas-Vorstand, störe man sich staatlicherseits aber auch an den Kirchenasylen, die in Einzelfällen zur letzten Zufluchtsstätte der Menschen werden.
Caritas: „Beratung ist Partner rechtsstaatlich arbeitender Behörden“
Die Fürther Caritas hat deshalb ihre örtlichen Landtags- und Bundestagsabgeordneten um Unterstützung gebeten und wirbt dafür, das Verständnis zwischen freien Trägern und staatli-chen Stellen offen zu diskutieren. „In der Flüchtlings- und Integrationsberatung erbringen wir subsidiär für den Staat eine wichtige Leistung zu Gunsten von Menschen in Not, die in unserer Gesellschaft ankommen wollen. Wir sind dabei Partner rechtsstaatlich arbeitender Behörden, aber keine Erfüllungsgehilfen im Verwaltungsvollzug.“