Von der Bundesliga in die Caritas-Sozialstation

Basketball-Profi ist begeistert von der ambulanten Pflege
Dass sie eine Europameisterin in der Pflege hat – das konnte die Caritas-Sozialstation Bamberg-Mitte von sich sagen. Von April bis Juni arbeitete dort Julia Förner als Pflegehelferin. 2018 hat sie mit der deutschen Damen-Nationalmannschaft in Italien die U18-Europameisterschaft im Basketball gewonnen.
Bis zum – mit Bravour bestandenen – Abitur hatte die junge Frau aus Kemmern bei der DJK Bamberg in der 2. Bundesliga gespielt. Für die Saison 2019/20 wechselte Julia Förner nach Nördlingen. Die Kleinstadt im Ries mit gerade einmal 20.000 Einwohnern ist bei den Damen eine Hochburg des Basketball. Und der Trainer, der auch Julia Förner seit 2015 in der Nationalmannschaft betreute, stammt von dort. „Die Erfahrung, als Vollprofi in der 1. Bundesliga zu spielen, wollte ich unbedingt einmal machen“, sagt die Europameisterin, die 2019 auch bei der Weltmeisterschaft in Bangkok dabei war.
Wie kommt eine so erfolgreiche Sportlerin dazu, in der ambulanten Pflege zu arbeiten? „Bereits in Nördlingen habe ich ein einmonatiges Praktikum im Stiftungskrankenhaus absolviert“, erzählt Julia Förner. Mehr sei ihr neben dem zeitaufwendigen Training und den Pflichtspielen am Wochenende nicht möglich gewesen.
Dann aber kam der Lockdown wegen Corona. Die restliche Saison, die sonst bis Ende Mai dauert, wurde abgesagt. Die freie Zeit wollte Julia Förner nicht ungenutzt lassen.
Denn ihr Berufswunsch ist es, Ärztin zu werden. „Wer Medizin studieren will, sollte einmal in der Pflege arbeiten“, ist Julia Förner überzeugt. Viele Ärzte wüssten gar nicht, was die Pflegekräfte alles können. Mehr Respekt vor seiner Arbeit würde sich gerade das Pflegepersonal im Krankenhaus wünschen.
Was Julia Förner an der Pflege schätzt, ist die Kommunikation mit den Patienten. „Du lernst, wie Menschen ‚ticken‘.“ Das sei auch für einen Arzt sehr wichtig. „Und man lernt, wie man die Patienten am besten anfasst, sie hält.“ Als Pflegehelferin hat Julia Förner die Kunden der Sozialstation vor allem beim Ankleiden geholfen, ihnen Kompressionsstrümpfe angezogen, die hauswirtschaftliche Versorgung erledigt.
„Man wird selbständiger, lernt zu organisieren“, sagt die junge Frau über ihre Zeit bei der Sozialstation. „Man trägt auch Verantwortung für die Patienten. In der Pflege kann man ausprobieren, ob man sie übernehmen kann.“ Ihr selbst hat das keine Schwierigkeiten bereitet. „Angst hatte ich nur, dass ich mich verfahre. Aber nach einer Woche kennt man seine Tour auswendig.“
Pflege ist auch Seelsorge
Zufriedenheit und Selbstbestätigung nimmt Julia Förner aus der Arbeit in der Pflege mit: „Wenn du nach Hause kommst, denkst du, du hast etwas Gutes getan. Man fühlt sich wohl, wenn die Menschen sich wohl fühlen.“ „Respekt, dass ihr das macht“ sei eine Reaktion, die sie oft erlebt habe.
Pflegende seien auch Seelsorger. „Wir reden mit den Menschen, trösten sie“. Sehr viele lebten allein und hätten keinen Partner. Das bestätigt auch Maria Firsching, die Leiterin der Caritas-Sozialstation Bamberg-Mitte: „98 % unserer Patienten sind alleinstehend. Sie freuen sich, wenn jemand kommt.“ Darauf geht das Pflegepersonal ein, weiß auch Julia Förner: „Wenn du drei Minuten übrig hast, setzt du dich hin zum Patienten und hörst zu – trotz Zeitdruck.“
Von den Augen ablesen
Psychologie ist auch in der Corona-Krise gefragt. „Manche unserer Patienten haben sich gefühlt wie im Gefängnis. Andere sagten, das sei wie im Krieg. Einige haben geweint“, erzählt Juli Förner. „Für die alten Menschen war die Situation schwer, noch isolierter zu sein, wo sie doch sowieso schon wenig Kontakt haben. Nur langsam gewöhnen sie sich an die Umstände.“
Für die Sozialstation brachte die Corona-Pandemie deutliche Einschnitte. „Viele Patienten hatten Angst und ließen die Pflegekräfte nicht ins Haus“, sagt Maria Firsching. „Die Medikamente mussten wir vor der Wohnung ablegen.“ Manche Angehörigen hätten die Hausbesuche auch abgesagt und die Pflegebedürftigen selbst versorgt. Maria Firsching vermutet, dass Kurzarbeit und Homeoffice dabei eine Rolle spielten.
Die Corona-Krise sei auch für die Pflegekräfte belastend gewesen. Mit Maske zu arbeiten, strenge an. „Die Patienten verstehen einen auch nicht“, erzählt Julia Förner. „Vorher haben sie die Worte am Mund abgelesen. Jetzt versuchen sie, in den Augen zu lesen.“ Ein Patient habe ihr gesagt, er kenne die Augenfarbe aller Schwestern, und habe sie dann aufgezählt.
„Wir mussten auch viel desinfizieren – die Autos nach jeder Tour“, berichtet sie. „Das wird aber nicht bezahlt und mehr Zeit ist auch nicht vorhanden. Aber man will ja auch niemanden anstecken.“
Trotz der Belastungen in der Corona-Zeit kann Julia Förner die Arbeit in der Pflege nur empfehlen. Auch die Bezahlung bei der Caritas findet sie gut. „Die Tätigkeit als Pflegehelfer und Praktika sollten viel mehr beworben werden“, meint sie.
Sie selbst bereitet sich jetzt auf den Medizintest vor. Im Herbst würde sie gerne mit dem Studium beginnen. Das Thema Profisport ist für sie damit weitgehend abgeschlossen. 1. Liga und Studium ließen sich nicht verbinden. Allenfalls bei der Bundeswehr sieht sie dafür eine Chance. Im Grundsatz hat sie ihre Entscheidung getroffen: „Mein Studium geht vor.“